Zum Inhalt springen

KI statt Glaskugel: Forschungsprojekt „OBER“ zur Ermittlung optimaler Lagerbestände

Die Einschätzung zukünftiger Absatzentwicklungen gehört für Großhandelsunternehmen zur Königsdisziplin. Besondere Brisanz gewinnt die Qualität der Absatzprognosen in kleinen und mittleren Unternehmen, weil diese in der Regel weniger kapitalstark sind. Lesen Sie im Beitrag, wie Prognosen durch KI optimiert werden können.

Um sowohl Out-of-Stock-Situationen als auch zu hohe Lagerbestände zu vermeiden, bieten Warenwirtschaftssysteme professionelle Prognosen an. Diese Prognose-Funktionen basieren allerdings häufig auf Werten aus der Vergangenheit. Mögliche Abweichungen können diese Lösungen nicht errechnen.

Das möchten die Projektpartner der Fraunhofer-Arbeitsgruppe SCS, Trevisto AG, Eisen-Fischer GmbH und FIS Informationssysteme und Consulting GmbH (FIS) im aktuell laufenden Projekt „Optimale Bestandsplanung zur Ressourcenschonung (OBER)“ mittels Künstlicher Intelligenz (KI) ändern.

Lagerbestände zu steuern, ist eine zentrale Herausforderung im Großhandel. Lieferengpässe können zur Abwanderung von Kunden führen. Zu große Lagerbestände binden Kapital, blockieren Lagerflächen oder müssen sogar entsorgt werden, weil sie den aktuellen Kundenansprüchen nicht mehr genügen.

Die bisher eingesetzten Absatz-Prognosemodelle liefern lediglich Punktprognosen. Das bedeutet, dass nur ein einzelner Wert vorhergesagt werden kann. Unberücksichtigt bleibt dabei der Unsicherheitsfaktor, also die Frage wie wahrscheinlich es ist, dass der prognostizierte vom tatsächlichen Absatz abweicht.

Disponenten bleibt somit nichts anderes übrig, als immer wieder selbst zu entscheiden, inwieweit sie der Prognose vertrauen, und darauf basierend den Lagerbestand planen. In der Praxis führt das dazu, dass viele Unternehmen unnötig große Sicherheitsbestände vorhalten, weil sie das Risiko von Out-of-Stock-Situationen nicht korrekt einschätzen können. KI könnte hier eine bessere Lösung bieten.

Bessere Prognosen dank vielfältiger Datenbasis

Zusammen mit den Projektpartnern entwickelt und testet die Arbeitsgruppe für Supply Chain Services des Fraunhofer-Instituts für Integrierte Schaltungen IIS ein KI-Verfahren, mit dem die Unsicherheit einer Prognose quantifiziert und automatisch der optimale Lagerbestand bestimmt werden kann. Der Begriff „optimal“ bezieht sich dabei nicht nur auf die Relation der Lagerbestände zum tatsächlichen Absatz.

Eine optimierte betriebswirtschaftliche Planung sollte vielmehr weitere Aspekte in die Berechnungen einbeziehen, wie mengenabhängige Einkaufskonditionen, logistische Losgrößen, Kosten der Lagerhaltung, nachgefragte Verpackungseinheiten oder Handlingskosten. Mittelfristig planen die OBER-Projektverantwortlichen außerdem zusätzliche Einflussgrößen in die KI-Prognose mit einzubeziehen, wie zum Beispiel Wetter- oder Wirtschaftsdaten.

Ein lernendes System im Praxiseinsatz

Künstliche Intelligenz zeichnet sich durch ihre eigenständige Lernfähigkeit aus. Hierfür wird zunächst eine ausreichend große Datenbasis benötigt, mit der das System angelernt werden kann. Im Rahmen des OBER-Projektes wird das neue Prognose-Tool deshalb beim Partner Eisen-Fischer parallel zu den bisher eingesetzten Methoden implementiert.

Über die Projektdauer von insgesamt 32 Monaten – Projektstart war am 1. September 2020 – kann so die Qualität der KI-Prognose immer wieder mit der Treffsicherheit der herkömmlichen Prognose-Ergebnisse sowie der tatsächlichen Marktentwicklung abgeglichen werden. Auf Basis der auftretenden Diskrepanzen „lernt“ die KI anschließend die Vorhersagen zu präzisieren.

Zwei Wege zum selben Ziel

Um die Unsicherheit einer Prognose möglichst genau zu bestimmen, verfolgen die Forscher zwei unterschiedliche Ansätze. Einerseits werden sogenannte Ensemble-Prognosen eigesetzt, die mithilfe neuronaler Netze, weiterer maschineller Lernmethoden und moderner Statistikverfahren verschiedenste Prognosen auf Grundlage derselben Datenbasis erstellen.

Diese Prognosewerte beziehungsweise Szenarien werden schließlich zu einem Ensemble zusammengefasst. Dann wird die Prognose-Unsicherheit auf Grundlage ihrer Streuung modelliert.

Der zweite Ansatz ist der Einsatz von bayesianischen Modellen, bei denen die Unsicherheit der Prognose implizit modelliert wird. Hieraus können dann ebenfalls verschiedene Szenarien generiert werden. Anschließend wird die Bestellmenge bestimmt, die über alle betrachteten Szenarien hinweg optimal ist.

Für eine passgenaue Lösung wird sowohl bei der Prognose als auch beim Optimierungsmodell das Fachwissen der beteiligten Großhandelsexperten einbezogen. Die entwickelten Modelle sollen danach auf andere Großhandelsunternehmen übertragen werden.

Maßgeschneidert für KMUs

Das so entwickelte Verfahren soll durch die Einbettung in eine einfach nutzbare Software insbesondere für KMUs nutzbar gemacht werden. Deshalb werden Trevisto und FIS prototypisch sowohl eine eigenständige Software-Lösung als auch eine eingebettete Lösung in die SAP-Landschaft in Form von Demonstratoren entwickeln und beim Projektpartner pilotieren. Auf diese Weise wird ein kurzer Weg von der Forschung zur Praxis-Anwendung ermöglicht.

Zielführende Forschung für den Praxisfall

Das Projekt OBER ist ein brillantes Beispiel dafür, wie Forschungskooperationen zwischen Wissenschaftlern und Wirtschaftsunternehmen konkrete Probleme aus der Praxis lösen. Speziell in diesem Fall ist es spannend, dass die spätere Nutzbarkeit der Ergebnisse von Anfang an mitgedacht wird. So dient die von FIS realisierte Anbindung an SAP nicht nur der Integration sämtlicher SAP-Daten, sondern stellt auch sicher, dass das neue Verfahren problemlos in bestehende SAP-Systeme eingebunden werden kann.

Dieser Beitrag erschien zuerst bei MM Logistik.

Sie möchten Ihre Logistikprozesse optimieren und Ihr SAP-System effizienter sowie ergonomischer gestalten? Im Dienstleistungspaket FIS Warehouse Check zeigen Ihnen unsere Experten auf, wie Sie schon mit kleinen Schritten und geeigneten Technologien Ihre Intralogistik auf ein neues Level heben können.

Redaktionsteam
Kontaktformular
Kontaktformular

*“ zeigt erforderliche Felder an

Alle mit einem * gekennzeichneten Felder sind für die Bestellung und Verarbeitung notwendige Angaben. Ihre personenbezogenen Daten werden zum Zwecke der Bearbeitung Ihrer Anfrage gem. unserer Datenschutzerklärung von uns verarbeitet.
Dieses Feld dient zur Validierung und sollte nicht verändert werden.