Ihr habt als Wegbegleiter bei der Entwicklung von FIS entscheidend mitgewirkt. Vor 20 Jahren entstand FIS/eSales. Jetzt interessiert mich, wie es dazu gekommen ist, also wie der Entstehungsprozess ausgesehen hat. Was waren innerhalb der letzten 20 Jahre zentrale Meilensteine?
Horst: Die Produktentwicklung bei FIS läuft oft nach einem bestimmten Muster ab. Zu Beginn der Entwicklung von FIS/eSales befanden wir uns in einem Projekt, in dem es darum ging, ein bestehendes Produkt der SAP beim Kunden einzuführen. Es handelte sich um das SAP Internet Sales, also eine Shop-Lösung auf SAP-Basis.
In diesem Projekt haben wir gemerkt, dass es zwar ein gutes Tool ist, die Branche Technischer Handel, in der wir es einsetzen wollten, aber viele spezifische Prozesse vorweist und das System sehr stark hätte angepasst werden müssen. Durch diese Erfahrungen kam die Überlegung ein eigenes Produkt zu entwickeln.
Für mich gehört es zur FIS-DNA, dass man bestehende Lösungen analysiert und überlegt, ob wir eine spezialisiertere Lösung liefern können – mit unserem vorhandenen SAP-Wissen.
Frank: Auf Kundenseite war damals der anstehende Releasewechsel ein ausschlaggebender Punkt, weil dieser mit hohen Kosten verbunden war. Die Tatsache hat den Kunden dann dazu bewegt, den Schritt mit uns zu gehen und Pilotkunde zu werden.
Seit der Entstehung ist viel passiert. Nicht nur eure Arbeit hat sich verändert, sondern auch die Kunden. Wie haben sich eurer Meinung nach die Kundenanforderungen in den letzten 20 Jahren entwickelt?
Horst: Man kann sich kaum noch vorstellen, wie eine Web-Lösung damals ausgesehen hat. Es gab wenig technische Möglichkeiten, um Funktionen – wie beispielsweise Drag-and-Drop in einem Browser oder Schnittstellen zu anderen Systemen – zu realisieren.
Mit der Zeit hat sich das stark verändert. Kunden nutzen meist nicht mehr nur ein System, sondern eine Vielzahl an unterschiedlichen Tools, die miteinander kommunizieren müssen.
Im B2B-Umfeld ist die korrekte Anzeige von Preis und Verfügbarkeit heutzutage immer noch ein wichtiger Faktor. Auch die Performance des Shops muss einem gewissen Niveau entsprechen. Dazu kommt aber, dass die Optik von B2C-Shops – wie beispielsweise Amazon – zur Gewohnheit geworden sind. Dementsprechend müssen auch Shops im B2B-Umfeld ein responsives Design besitzen und mit vielen Bildern, Farben und Texten an das Erscheinungsbild von Shops aus dem privaten Umfeld erinnern.
Vor 20 Jahren lag der Fokus noch auf anderen Dingen. Aus meiner Sicht sind es die Anforderungen der Käufer, die sich geändert haben. Diese Erwartungen müssen wir jetzt auch bedienen.
Frank: Heutzutage gibt es gewisse Standards, die durch Amazon und Co. gesetzt sind, besonders in Bezug auf Usability. Kunden, die im Shop bestellen, sind diese Standards auch privat gewohnt und haben eine gewisse Erwartungshaltung. Das Thema UX ist mit den Jahren wesentlich präsenter geworden.
Eine andere Anforderung, die sich geändert hat, ist, dass früher kaum ein B2B-Unternehmen einen offenen Shop wollte. Vor 20 Jahren hatte man die Befürchtung, dass Wettbewerber die Produkte einsehen können und bestand deshalb auf einen Login. Heute soll es meist ein offener Shop sein, da man andernfalls nicht über Suchmaschinen, wie Google gefunden werden kann und mit Absatzeinbußen rechnen muss.
Wie schafft ihr es, angesichts der sich ändernden Anforderungen, passgenaue Lösungen für die unterschiedlichsten Unternehmen bereitzustellen?
Horst: Wir haben in 20 Jahren viele Erfahrungen sammeln können und unseren Standard seitdem immer erweitert.
Außerdem haben wir die Möglichkeit, auf Kundenanforderungen gut reagieren zu können. Die technologische Basis von FIS/eSales ist im Vergleich zu anderen Software-Produkten relativ einfach anpassbar.
Wir haben es in der Vergangenheit immer geschafft, für den Kunden das Passende zu bauen. FIS hat nicht umsonst den Slogan: „Mit Sicherheit die passende Lösung“.
Frank: Wie bereits gesagt, es ist die Erfahrung und die Tatsache, dass jeder Kunde Ideen mit in das Projekt bringt, die uns hilft FIS/eSales stetig zu optimieren. Ein entscheidender Vorteil ist auch, dass der Kunde bei der Entwicklung nah dran ist und sehen kann, welche Änderungen gerade vorgenommen werden.
Ich denke, dass auch die gute Beziehung zum Kunden eine große Rolle spielt. Wir kennen die Ansprechpartner bei unseren Kunden meistens sehr gut. Deshalb haben wir die Möglichkeit, immer auf den Kunden einzugehen und ihm die passende Lösung bereitzustellen.
In 20 Jahren habt ihr sehr viel Erfahrung gesammelt. Was waren die größten Herausforderungen, denen ihr in der Zeit gegenüberstandet und wie habt ihr diese gemeistert?
Horst: Wir hatten immer so ein bisschen das Problem, dass das FIS/eSales nur als Eingabemaske für Aufträge gesehen wurde, da es nicht besonders responsive war. Es war sicherlich eine der größten Herausforderungen, die Anwendung so umzubauen, dass wir auf der Höhe der Zeit sind und vor allem auch responsive sind.
Wären wir damals aber den Schritt nicht gegangen, dann würde es uns wahrscheinlich nicht mehr geben. Das war eine große Herausforderung, die wir glücklicherweise gemeistert haben.
Frank: Bei dem Schritt auf S/4 HANA waren wir auch eine Zeit lang etwas angespannt. Aber das hat sich im Nachhinein als gut machbar herausgestellt. Und jetzt im Moment stehen wir vor dem Thema Cloud, was die nächste Herausforderung sein wird.
Horst: Das stimmt, das Thema Cloud beschäftigt uns aktuell sehr stark. Glücklicherweise stehen wir nicht mehr am Anfang, sondern befinden uns bereits mittendrin.
Wie wird eurer Meinung nach die Zukunft im Softwarebereich aussehen?
Horst: Wir sind aktuell an einem Punkt, an dem wir versuchen den Weg in die Cloud mitzugehen. Dass das Thema Cloud wieder komplett zurückgedrängt wird, ist genauso unwahrscheinlich wie, dass es in zwei Jahren nur noch Cloud geben wird. Es wird irgendwo der Weg dazwischen sein.
Frank: Ob dann alle in der Cloud landen werden, da denke ich, gibt es kein schwarz-weiß Denken. Es wird eine Zwischenlösung werden, aber es wird auf jeden Fall viel in die Cloud wandern, da bin ich mir absolut sicher.
Die Entwicklungskosten bei On Premises sind enorm hoch und kleinere beziehungsweise mittelständische Unternehmen lockt das natürlich, wenn gewisse Standards in der Cloud vorhanden sind.
Gut, dann sind wir schon bei der letzten Frage angekommen. Und zwar: Was wünscht ihr euch für die nächsten 20 Jahre?
Horst: 20 Jahre für ein Produkt ist schon eine relativ hohe Zahl, auf die wir stolz sein können. Ich bin der Meinung, dass es den „Prozess Shop“ immer geben wird. Natürlich wird der Verkauf über Marktplätze zunehmen, trotzdem legen viele Unternehmen immer noch Wert darauf einen eigenen Shop anzubieten.
Wir haben den Vorteil, dass unsere Abteilung auch die FIS-Lösung FIS/TradeFlex betreut. Das ist eine Lösung um verschiedenste Marktplätze einfach an die bestehende SAP-Systemlandschaft anzubinden.
Außerdem haben wir unser E-Commerce-Portfolio vor einigen Jahren um die SAP Commerce Cloud erweitert. So können wir neben Kunden aus dem Technischen Handel, auch allen weiteren Branchen eine umfassende E-Commerce-Plattform anbieten.
Im Endeffekt wünsche ich dem FIS/eSales natürlich weiterhin neue Kunden und dass es in 20 Jahren immer noch ein FIS/eSales gibt.
Frank: Ich wünsche mir, dass sich das FIS/eSales kontinuierlich und stetig weiter verbessert und mit jedem Release weiter optimiert wird. Außerdem hoffe ich, dass wir den Sprung in die nächsten technologischen Epochen schaffen.