Die verlängerte ECC-Wartungsfrist bis 2027 lässt viele SAP-Anwender aufatmen: Der Umstieg auf SAP S/4HANA gilt als anspruchsvoll und ist ohne Unterstützung durch Dienstleistungspartner kaum zu bewältigen. Zuletzt deutete sich hier ein Projektstau an, da die SAP-Beratungskompetenzen am Markt begrenzt sind.
Die gewonnene Zeit können SAP-Anwenderunternehmen nun zur optimalen Vorbereitung nutzen und sich zudem rechtzeitig Berater-Ressourcen sichern. Dennoch stehen in vielen Unternehmen noch andere wichtige Projekte an.
Wie schnell sich Unternehmen mit der S/4HANA Migration beschäftigen, hängt in dieser Situation maßgeblich davon ab, welchen Mehrwert sie darin erkennen. Welche Vorteile bringen vereinfachte Datenstrukturen, Echtzeitauswertung und schnelle Analysefunktionen im eigenen Unternehmen? Das ist schwer greifbar, denn der Mehrwert lässt sich nicht pauschal beziffern.
In welchem Umfang Zeit, Kosten oder Datenvolumen reduziert werden können, hängt nicht nur von der Systemlandschaft, sondern auch von den eigenen Zielen, den angestrebten Veränderungen und Verbesserungen ab. Die S/4HANA Transition ist als Teil der digitalen Transformation zu sehen. Eine Fristverlängerung für den Umstieg bedeutet mehr Zeit für die inhaltliche Vorbereitung, für die Prüfung und Weiterentwicklung der eigenen Geschäftsmodelle und Prozesse, mehr Zeit, die eigenen Ziele zu definieren.
Das geht nur in enger Abstimmung von Geschäftsleitung, Fachabteilungen und IT. Um hier auf Augenhöhe mitreden zu können, sollten IT-Verantwortliche informiert sein: über die neuen Möglichkeiten, die sich unter S/4HANA bieten, aber auch über notwendige Anpassungen und den zu erwartenden Aufwand.
Die gute Nachricht: Mit Hilfe der bereitgestellten SAP-Tools können Anwender wichtige Analysen im Vorfeld selbstständig durchführen und bei Bedarf gemeinsam mit einem Beratungshaus auswerten, um daraus Handlungsempfehlungen abzuleiten. Dazu im Folgenden einige Erläuterungen und Tipps aus der Praxis.
Readiness Check: Was geändert werden muss
Simplification List und Readiness Check sind sicher den meisten Unternehmen ein Begriff. Im Ergebnis des SAP Readiness Checks für S/4HANA werden wesentliche Analyse-Ergebnisse in einem Dashboard zusammengefasst. Zentral sind dabei die Auswertungen zu den Simplification Items, deren Bearbeitung sich durch das gesamte Projekt zieht, von der Vorbereitung bis zur Live-Setzung.
Es handelt sich um Änderungen im Code oder in den Prozessen von S/4HANA gegenüber der älteren Business Suite. Auch der verwendete Custom Code wird dahingehend untersucht, ob Funktionalitäten verwendet werden, die es in S/4HANA nicht mehr gibt. Die entsprechenden Daten könnten sonst gar nicht oder aber unbemerkt falsch verarbeitet werden. Zwar ist die Liste der Simplification Items lang – über 600 Änderungen.
Die Erfahrung zeigt aber, dass nur etwa 60 bis 120 davon für das eigene System relevant sind und aktiv verwendet werden. Und nicht in allen Fällen sind Anpassungen erforderlich. Unumgänglich sind aber in jedem Fall Detailprüfungen zu den einzelnen Fehlermeldungen im Report. Mit dem resultierenden Aufwand sollten IT-Verantwortliche rechnen. So können die Änderungen herausgefiltert werden, die tatsächliches eingreifen erfordern und als Aktivitäten in den Projektplan übernommen werden.
Aufräumarbeiten: Weniger Ballast mitnehmen
Bestandteil des Checks ist auch eine Untersuchung der Geschäftsprozesse und der Belegdaten. Die dadurch ermittelte, oft große Anzahl nicht abgeschlossener Transaktionen überrascht viele Unternehmen – gerade im Bereich der Finanzbuchhaltung, wo offene Belege auf unbezahlte Rechnungen verweisen. Hier gilt es dann, diese Vorgänge zunächst abzuschließen und zu archivieren.
Diese „Aufräumarbeiten“ beziehen sich aber nicht nur auf einzelne Geschäftsvorgänge. Vielmehr ist es ein zentrales Anliegen, vor der Transformation soweit wie möglich sämtliche Daten und Prozesse zu bereinigen. Das Resultat zeigt sich ebenfalls im Rahmen des SAP Readiness Checks : Auf Basis der Ist-Situation werden Zielarchitektur und -größe des künftigen Systems berechnet.
Je überschaubarer also die Situation im Unternehmen vor dem Systemwechsel, desto übersichtlicher – und somit günstiger – wird auch die Systemlandschaft nach der Transition aufgebaut sein.
Neue Funktionen prüfen: Was verbessert werden kann
Erste Anregungen zu Prozess-Optimierungen können Best Practices liefern, wie sie von SAP selbst, aber auch von einzelnen Dienstleistungspartnern vorgestellt werden.
Wenn es konkret um die Anwendungen im eigenen Unternehmen geht, sind zwei Self-Service-Tools des Software-Anbieters zu empfehlen: Mit Hilfe des Transformation Navigators lässt sich ein Bauplan für die Konfiguration des künftigen Systems erstellen – basierend auf dem Ist-Zustand. Optional können aber auch weitere, neu geplante Elemente mit untersucht werden. Im Report ist auch indiziert, ob für die neue Konfiguration unter S/4HANA zusätzliche Lizenzen benötigt werden.
Das zweite Tool heißt Process Discovery for SAP S/4HANA Transformation (ehemals Business Scenario Recommendation Report ). Dieser Report analysiert, welche Transaktionen und Applikationen die Anwender im Tagesgeschäft nutzen und bei welchen dieser Prozesse unter S/4HANA Änderungen vorgenommen wurden. Zusätzlich werden im Ergebnisbericht bereits Optimierungsvorschläge für die verwendeten Geschäftsprozesse aufgelistet.
Die Kompatibilität der verwendeten Business Functions und Add-Ons von Drittanbietern wird standardmäßig auch im Rahmen des S/4HANA Readiness Checks geprüft.
Add-Ons von Drittanbietern werden bei dieser Analyse recht häufig als „unbekannt“ klassifiziert. Daher ist es wichtig, auch schon vorab mit den jeweiligen Software-Anbietern die Kompatibilität unter S/4HANA zu klären. Zusätzlich werden im Ergebnis des Readiness Checks auch geeignete SAP Fiori Apps vorgeschlagen, mit deren Hilfe sich Prozesse zusätzlich vereinfachen lassen.
Die richtige Interpretation ist entscheidend
Diese Selbsthilfe-Tools von SAP können oft bereits von der eigenen IT-Abteilung vorbereitet werden. Jedoch bedarf die Auswertung dieser Reports und die Ableitung von individuellen Handlungsempfehlungen häufig eine spezialisiertere Expertise. Entsprechend ausgebildete Beratungshäuser unterstützen bei der korrekten Interpretation und den notwendigen Anpassungen der Systeme.
Im Ergebnis solcher Analysen lassen sich somit bereits wesentliche Einschätzungen treffen:
- Zeit und Aufwand für das Transition-Projekt
- Optionen für neue Funktionen, Prozesse und Szenarien
- Geeignete Wege zur Umsetzung: als System Conversion (Brownfield) oder in Form einer Neu-Implementierung (Greenfield). Letztere bietet sich zum Beispiel an, wenn Geschäftsprozesse grundlegend neu ausgerichtet werden.
- Art und Umfang der benötigten externen Unterstützung
Damit ist die IT-Abteilung bereit für die Diskussion mit den Fachabteilungen und die Planung und Durchführung der SAP S/4HANA Migration.