Laut dem Deutschen Industrie 4.0 Index 2017 bewerten sechs von zehn Unternehmen den Trend zur Losgröße 1 als wichtigen Erfolgsfaktor für ihr Unternehmen, jedoch befinden sich viele Unternehmen noch am Anfang der Entwicklung. Sowohl die Produktion als auch die Logistik und der Versand der Waren muss schneller, flexibler und günstiger werden, um am schnelllebigen Absatzmarkt mit kurzen Produktlebenszyklen konkurrenzfähig zu bleiben. IT im Umfeld von Industrie 4.0, bei der alle am Produktionsprozess beteiligten Maschinen und Fahrzeuge vernetzt sind und selbstständig miteinander kommunizieren, kann hierbei unterstützen.
Wie sich die Produktion durch Industrie 4.0 verändert
Kunden möchten personalisierte Produkte passend zur ihren Anforderungen bestellen und auf deren Zustellung trotz außerordentlicher Anfertigung nicht länger warten als bei der Bestellung von Standardprodukten. Die Zahl der Hersteller, die individualisierte Produkte anbieten, stieg die letzten Jahre enorm an. Auch Produzenten, die üblicherweise Massenprodukte herstellen, werden aus Gründen der Wettbewerbsfähigkeit nicht darauf verzichten können, kurz- bis mittelfristig ebenfalls personalisierte Artikel anzubieten. Selbst Amazon, Marktführer im Onlinehandel, agiert seit einiger Zeit nicht mehr nur als Händler, sondern mit „Merch by Amazon“ auch als Produzent von individualisierten Merchandise-Produkten, wie z. B. T-Shirts.
Darüber hinaus entstehen im Zuge der Globalisierung immer komplexere Lieferketten (Supply Chains), die häufig international agieren und immer stärker vernetzt sind, um den hohen Anforderungen an eine schnelle und dennoch kundenspezifische Fertigung und Auslieferung gerecht zu werden. Aus der typischen, geradlinigen Supply Chain entwickelt sich ein integriertes Netzwerk aus sehr vielen Beteiligten – mit besserer Agilität, Anpassungsfähigkeit und Geschwindigkeit als zuvor. Diese zahlreichen Beziehungen und Abläufe zu organisieren stellt Unternehmen vor große Herausforderungen, welche aber auch eine große Chance zur Erschließung neuer Geschäftsmodelle sein kann.
Hierfür gilt es den folgenden Zielkonflikt zu bewältigen: Auf der einen Seite soll die Herstellung so wirtschaftlich und rentabel wie möglich sein, was am besten bei optimal geplanter Fließbandfertigung und maximaler Automatisierung funktioniert. Auf der anderen Seite soll flexibel und agil auf die individuellen Kundenaufträge reagiert werden. Die Rüstkosten und Rüstzeiten steigen jedoch bei personalisierter Fertigung durch den häufigen Anpassungsbedarf der Maschinen. Somit ergeben sich schließlich auch komplexere, aufwendigere Produktionsprozesse. Sofern hier nicht mit entsprechender Automatisierung und digitaler Steuerung der Abläufe gearbeitet wird, sorgt dies schließlich für längere Liegezeiten und Durchlaufzeiten. Die große Anzahl unterschiedlichster Varianten bis hin zur Losgröße 1 muss möglichst günstig und gewinnbringend produziert werden. Beispielsweise bei der Herstellung von Fahrzeugen kann diese Individualisierung bei manchen Automodellen zu mehr als 1.000 Varianten je Fahrzeugtyp führen – von der Auswahl der Sitzpolster bis zur Farbe der Armaturen oder Sonderausstattung können Kunden per Online-Konfigurator etliche Produkteigenschaften selbst zusammenstellen. Diese Sonderanfertigungen müssen anschließend, im besten Falle vollautomatisch, in die Produktionsplanung miteinbezogen und effizient bearbeitet und umgesetzt werden.
Wie Ihre Fertigung trotz Einzelfertigung gewinnbringend arbeitet
Die Vernetzung und Digitalisierung der Produktion ist hier der Schlüssel zum Erfolg. Ziel ist es, sämtliche Produktionsprozesse zu optimieren, insbesondere die vor- und nachgelagerten Prozesse mit Lieferanten und Kunden sowie die internen, indirekten Abläufe innerhalb des Unternehmens. Materialflüsse müssen über Unternehmensgrenzen, Abteilungsgrenzen und Ländergrenzen hinweg transparent gestaltet und in einem zentralen System abgebildet werden. Dies ist möglich durch intelligent vernetzte Wertschöpfungsketten und den Einsatz moderner ERP-Systeme. Somit werden Kosten gesenkt sowie eine höhere Flexibilität gewährleistet – Prozesse werden schließlich effizienter und rentabler.
Relevante Stichworte sind hierbei Internet of Things (IoT), Big Data und künstliche Intelligenz. Über Jahre hinweg wurden in Unternehmen unzählige Mengen an Daten gesammelt, bei denen die Mitarbeiter häufig weder die Zeit noch die entsprechenden Mittel und Möglichkeiten hatten, diese Datenansammlungen umfänglich auszuwerten und zu interpretieren. Durch intelligente Objekte im IoT ergeben sich nun völlig neue Möglichkeiten, diese Informationen digital zu sammeln, analysieren und auch zu integrieren. Mit den hiermit gewonnenen Daten können Geschäftsprozesse ökonomischer gestaltet und datenbasierte Entscheidungen getroffen werden. Mithilfe von IoT und der daraus resultierenden Smart Factory, in der die Maschinen selbstständig miteinander kommunizieren und Vorschläge für die effizientesten Produktionsabläufe machen, ist es möglich, auch in kleinen Losen gewinnbringend zu produzieren. Die eingesetzte künstliche Intelligenz kann bereits binnen kürzester Zeit eine ertragreiche Balance zwischen höheren Rüstkosten und Individualisierung in der Herstellung finden. Voraussetzung hierfür ist wiederum eine konsequente Digitalisierung sämtlicher Prozesse sowie eine zentrale Datenhaltung ohne Insellösungen – alle Daten und Informationen müssen in Echtzeit sämtlichen Beteiligten (auch Maschinen) zur Verfügung stehen, damit direkt aus dem System heraus agile und eigenständige Entscheidungen getroffen werden können.
Auch die Anforderungen an die Lagerlogistik verändern sich durch Industrie 4.0
Auch in der Lagerlogistik führen die Kundenwünsche nach Individualisierung und Personalisierung zu neuen Herausforderungen. Eine höhere Variantenvielfalt bedeutet zwar ein ansprechenderes und vielfältigeres Angebot für die Kunden, jedoch erfordert die größere Anzahl an Varianten auch höhere Lagerkapazitäten und -bestände, sofern nicht Just-In-Time (JiT) produziert werden kann. Lagerplätze und Lagerkapazitäten sind schließlich begrenzt, um nicht zu viel Kapital in Form von Lagerware zu binden. Darüber hinaus müssen je Variante gegebenenfalls noch zusätzliche Sicherheitsbestände vorgehalten werden, die ebenfalls für ein erhöhtes Lagervolumen und zusätzliche Kapitalbindung sorgen.
Um die Rückverfolgbarkeit von Bauteilen und Bauteilgruppen bei personalisierten Artikeln zu gewährleisten, müssen zusätzliche Chargen- oder Serialnummern zur eindeutigen Identifikation erfasst und über den gesamten Produktlebenszyklus dokumentiert werden, beispielsweise über RFID-Tags an jedem Produkt. Mithilfe von geeigneter Software, wie z. B. SAP EWM, können Serialnummern oder Chargenbezeichnungen einfach und komfortabel erfasst, verwaltet und ausgewertet werden. Kundenwünsche nach kleineren Losgrößen lassen sich im System abbilden und umsetzen, ohne die Rückverfolgbarkeit einzuschränken. Interne Lagerprozesse werden außerdem effizienter, flexibler und agiler, etwa durch automatische Meldungen, die beispielsweise frühzeitig auf das Ende des Lebenszyklus einzelner Artikel hinweisen.
Im Lager und im Versand mit Dienstleistern erschweren die stetig abnehmenden Sendungsgrößen sowie das steigende Versandvolumen eine effiziente Verteilung der Sendungen. Automation in der Logistik kann durch Fördertechnik, fahrerlose Transportsysteme (FTS) oder Roboter gefördert und unterstützt werden, sowohl in der Kommissionierung als auch in der Intralogistik. Ein passendes Beispiel im Produktionsumfeld sind intelligente Roboter oder FTS, die die Produktion über autonom fahrende Fahrzeuge mit dem jeweils benötigten Material zeitgenau beliefern. Mithilfe von künstlicher Intelligenz finden sie jeweils den besten und schnellsten Weg zu den Maschinen. Besonders in der Einzelfertigung ist diese maschinengesteuerte JiT-Belieferung unbedingt notwendig, da die manuelle Belieferung durch Mitarbeiter zu viel Personal beanspruchen würde.
Ausblick: Automatisierung muss weiter vorangetrieben werden
Die zunehmende Verbreitung von individuellen Online-Konfigurationen sowie die stetige Weiterentwicklung von 3D-Druckverfahren werden die Nachfrage nach personalisierten Artikeln weiter verstärken. Diese steigende Nachfrage wird wiederum die technologischen Entwicklungen im Bereich der Automation weiter vorantreiben.
ERP-Systeme müssen künftig mehr und mehr dazu in der Lage sein, die integrierten Supply Chains bzw. Supply Networks abbilden zu können, in denen alle am Wertschöpfungsprozess beteiligten Unternehmen miteinander kommunizieren und interagieren. Nur so kann eine maximale Kundenorientierung gewährleistet, Automation vorangetrieben und Individualprodukte wirtschaftlich produziert werden. Diese agile Fertigung auf Basis intelligenter, vernetzter Technologien und Software wird künftig ein wichtiger Wettbewerbsfaktor sein. In Zukunft werden Roboter den Menschen immer stärker bei seiner Arbeit unterstützen – sowohl in der Produktion als auch in der Intralogistik und Kommissionierung von Waren. Voraussetzung hierfür sind jedoch vollständig digitale Wertketten und -prozesse, die in Zeiten von Industrie 4.0 stetig weiterentwickelt werden müssen.
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