Das vielfach eingesetzte SAP WM (Warehouse Management) ist nach 2025 in S/4HANA abgekündigt und wird durch SAP EWM ersetzt. Es gibt verschiedene Szenarien: Embedded EWM, dezentrales EWM oder vielleicht das SAP Stock Room Management?
Logistik-Experte Martin Ochs erzählt im Interview, wo aktuell die Herausforderungen für Entscheider liegen, welches Lösungsszenario für welche Anforderungen passt und welche Erfahrungen andere Unternehmen bei der Auswahl und Umstellung machen.
Martin Ochs ist Gast eines Expert-Talks zur IT-Onlinekonferenz 2020 „Wie machen es andere Unternehmen?“. Er berichtet dort ausführlich, wie SAP-Kunden die für sie passende Lagerlogistik-Lösung finden und gibt Empfehlungen für die unterschiedlichen Szenarien.
Herr Ochs, wo liegen für Logistik-Entscheider in den SAP-Anwenderunternehmen aktuell die größten Herausforderungen bei der Aktualisierung ihrer Roadmaps?
Martin Ochs: Unternehmen, die heute SAP WM (Warehouse Management) einsetzen, können die Software ab 2025 bzw. 12/2027* in dieser Form nicht mehr nutzen. Sie stehen vor der Entscheidung, entweder SAP Stock Room Management als Nachfolger von SAP WM einzusetzen oder das wesentlich leistungsfähigere, zukunftssichere EWM (Extended Warehouse Management).
Diese Entscheidung gilt es im Hinblick auf Funktionalität, Kosten und verfügbare Ressourcen vorzubereiten.
… und was muss man zu den Roadmaps der SAP-Produkte wissen?
SAP Stock Room Management ist im Kern ein verschlanktes SAP WM, das seit über 15 Jahren nicht mehr weiterentwickelt wird. SAP setzt seit 2006 ausschließlich auf SAP EWM als strategische Lösung für die Intralogistik.
Mit S/4HANA kann SAP EWM entweder als integrierte Lösung betrieben werden – also als Bestandteil des S/4HANA-Cores (embedded) – oder als Stand-alone Lösung für Lager mit hohem Belegvolumen und besonderen Verfügbarkeitsanforderungen (by-side).
Wie findet man die passende Lösung, die zur jeweiligen Ausgangssituation und zukünftigen Unternehmensstrategie passt?
Drei Faktoren müssen analysiert werden:
- Wie sehen die aktuellen und zukünftigen Anforderungen an die Intralogistik aus? Welche Prozesse gilt es zur berücksichtigen?
- Welche Kosten sind mit der Auswahl verbunden, zum Beispiel für Lizenzierung und Beratungsaufwand? SAP EWM ist beispielsweise in der by-side-Ausprägung oder bei Nutzung bestimmter Funktionalitäten zusätzlich zu lizenzieren, abhängig von der Anzahl der Belegpositionen.
- Wie ist die Verfügbarkeit von Personal, aus den Fachbereichen und der IT, vor, während oder nach einer Transition?
Wann stellt man um, vor der ERP-Migration auf S/4HANA, währenddessen oder besser danach?
Es gibt keine allgemeingültige Empfehlung, sondern die Entscheidung muss für jedes Unternehmen individuell analysiert und getroffen werden. Drei Beispiele unserer Kunden verdeutlichen dies: Ein Großhändler stellt noch vor der S/4HANA-Transition auf ein by-side-EWM um, da die Logistik ein zentraler Erfolgsfaktor ist. Aufgrund der Ressourcen-Situation in der IT und im Fachbereich kann dies nicht gleichzeitig mit der ERP-Transition erfolgen. Der zusätzliche Lizenzierungsaufwand wird akzeptiert.
Ein Maschinenbau-Unternehmen mit einem standardnahen WM entscheidet sich für SAP Stock Room Management, da die Logistikprozesse eine überschaubare Komplexität haben. Eine Entscheidung zugunsten SAP EWM kann nach der S/4HANA-Transition immer noch getroffen werden.
Ein Automobilzulieferer mit hochindividualisiertem WM schließt zuerst die S/4HANA-Transition ab und ersetzt dann SAP WM durch SAP EWM. Da die ERP-Transition zeitnah erfolgt, bleibt noch genügend Zeit für die Ablösung von SAP WM.
Welche Erfahrungen sammeln Unternehmen, bei der Entscheidungsfindung und Umstellung?
Die erste Erfahrung ist, dass die Umstellung von SAP WM zu SAP EWM keine reine Migration ist, sondern ein vollständiges Projekt mit den Charakteristiken Erstmaligkeit, besondere Ressourcenanforderungen, zeitliche Begrenzung und Neuartigkeit ist.
Die zweite Erfahrung ist, dass mit SAP EWM vieles im Standard möglich ist, was Individuallösungen in SAP WM überflüssig macht. Unternehmen erkennen, dass sie dadurch einen großen Schritt in Richtung performante und zukunftssichere Intralogistik machen.
Die dritte Erfahrung leitet sich aus den ersten beiden Erfahrungen ab: Die Weichen für die Intralogistik müssen zeitnah – am besten jetzt – gestellt werden. Neben der Laufzeit von Transition- und Logistikprojekten muss auch die Verfügbarkeit von Inhouse-Ressourcen und Beratungspartnern berücksichtigt werden.
Was wird für Sie in den kommenden 12 Monaten das dominierende Thema in der SAP-Community?
Wie sieht meine SAP-Umgebung nach einer Transition aus? Der Core hat sich grundlegend verändert.
Dieser Beitrag erschien zuerst im IT-Onlinemagazin.
*Aktualisierung, Februar 2020: Nach neuesten Angaben von SAP gilt es folgende Aussage zu beachten: SAP wird die Mainstream-Wartung für Kernanwendungen der SAP Business Suite 7 bis Ende 2027 bereitstellen und eine optionale Extended-Wartung bis Ende 2030 anbieten.